Podiumsdiskussion - PODIUMSDISKUSSION - Remseck: Bürgerdialog Westrandbrücke

Podiumsdiskussion am 21.10.20

Nachdem die Auftaktveranstaltung im September vorrangig im Zeichen der Information stand, wurden wichtige Aspekte oder Fragen rund um den Bau der Westrandbrücke bei einer Podiumsdiskussion in der Stadthalle Remseck vertieft und Argumente für und wider ausgetauscht.

Auf dem Podium diskutierten am 21. Oktober zwei Stunden lang Oberbürgermeister Dirk Schönberger, Gerhard Leitenberger (BI "Ja zur Westrandbrücke") und Kai Reinke (BI "Wir für morgen" e.V.), unterstützt von Bürgermeisterin Birgit Priebe und Dr. Ing. Frank Gericke (Modus Consult). Das Regierungspräsidium vertrat Jürgen Holzwarth.

Die Veranstaltung wurde erneut live über den Youtube-Kanal der Stadt Remseck übertragen. Auch gab es wieder die Gelegenheit, Fragen über WhatsApp einzureichen.

In der ersten Themenrunde erläuterten die Diskutanten, welche Rolle die Westrandbrücke für die Zukunftsstadt Remseck für sie jeweils einnimmt. Anschließend präsentierte Kai Reinke anhand einer Planungsskizze den Alternativvorschlag von der BI „Wir für morgen“, der er vorsteht. Die Experten diskutierten in einer zweiten Runde, inwieweit es Alternativen zum jetzigen Ansatz gibt. Zum Schluss wurden alle wichtigen Aspekte noch einmal zusammengefasst und ein Fazit des Abends gezogen.

 

Die Zukunftsstadt Remseck

 

In der ersten Runde kam zuerst OB Dirk Schönberger zu Wort. „Die Neue Mitte ist nicht meine Erfindung. Bereits seit 1999 versucht man über Diskussionen und über Bürgerbeteiligung zu ermitteln, wo und wie ein Zentrum für die große Kreisstadt entstehen kann, wo Notwendiges erledigt werden kann und wo es daneben einen Treffpunkt für Jung und Alt geben kann.“, rief OB Schönberger allen Teilnehmenden ins Gedächtnis. „Dienstleistungen, Gastronomie sowie Kultur sollen direkt an dem Zusammenfluss von Rems und Neckar ermöglicht werden,“ so Schönberger. „Es kommt häufig vor, dass mich junge Menschen aus Neckargröningen und Neckarrems ansprechen, um mir zu erzählen, dass sie aus Remseck wegziehen müssen, falls wir keinen neuen Wohnraum für sie schaffen können. Es ist ein wichtiges Ziel, leistbaren Wohnraum für die Remsecker Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Auch müssen wir den oberirdischen Autoverkehr aus der Innenstadt wegbekommen und im gleichen Zuge Tiefgaragen schaffen, so dass oberirdisch die Menschen per Bus, zu Rad und zu Fuß die Neckarbrücke überqueren und unsere Stadt erleben können. Momentan zerschneidet die Brücke unser Herz mit ca. 30 000 PKWs pro Tag. Eine bessere Entwicklung ist nur mit der Westrandbrücke möglich! Autos sollen gut sortiert ihren Weg finden.“ Auf die Frage des Moderators Helmut Bauer, ob eine neue Brücke Wesentliches dazu beitragen könne, Stadtidentität zu schaffen antwortete der OB, man wolle die Einzigartigkeit der Gemeinden bewahren, ihnen auch nichts wegnehmen, sondern Neues für alle Remseckerinnen und Remsecker erschaffen. Es gebe beim Thema Verkehr noch viele Verbesserungen zu erreichen, die Westrandbrücke sei nur ein Mosaiksteinchen, betonte er.

Ein Bürger aus dem Saal wies darauf hin, dass im Zusammenhang mit der Neuen Mitte nicht länger von Verkehrsberuhigung gesprochen werden sollte, da die Gesamtmenge des Verkehrs ja nicht abnehme, nur weil eine neue Brücke 200 Meter weiter gebaut würde. Vielmehr gehe es ja eigentlich um die Frage: Neue Mitte? - Ja oder nein.

Schönberger nutzte die Gelegenheit, die Vorteile der Westrand Brücke zu erläutern. Es würden mehr Aufstellflächen geschaffen. Durch künftig zwei Spuren sei ein höherer Durchsatz möglich, wodurch der Verkehr so entzerrt werden könnte, dass es zur Rush Hour keine Staus mehr gebe. Knoten würden entzerrt, daher würden bisherige Schleichwege zum Umfahren des Staus deutlich entlastet. Um keinen zusätzlichen Verkehr aus der Region anzuziehen, werde die Straße zweispurig bleiben, versprach er.

 

 

Der Alternativvorschlag der BI "Wir für morgen"

 

Herr Reinke machte den abweichenden Standpunkt der BI „Wir für morgen“ deutlich. Es sei zwar möglich, eine Mitte zu bauen, entscheidend für den Erfolg des Einzelhandels und der Dienstleistungen bleibe jedoch, dass diese Mitte von den Menschen auch angenommen werde. Der Einzelhandel stecke ohnehin in einer Krise. Er könne sich nur dort erfolgreich ansiedeln, wo Menschen sich wohlfühlten und bereit wären, gerne einkaufen zu gehen. Reinecke bezweifelte, dass die stark befahrene Straße am Westrand der Neuen Mitte zu solch einer nötigen Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern beitragen könne. „Es braucht einen Verkehrsfluss außen rum, damit diese Mitte angenommen wird.“, schlussfolgerte der Ingenieur. „Alding muss mit der Mitte vereint werden, z.B. durch Stadtpark und Sportplatz, damit Frischluftzufuhr gewährleistet ist.“ Einigkeit mit der Stadt bestand indessen darin, die Bestandsbrücke weitestgehend vom motorisierten Verkehr befreien zu wollen. „Einen Prachtboulevard halten wir für unrealistisch. Dazu bräuchte man eine breitere Brücke, neben der Buss- und Radspur.“ Der BI-Vorstand betonte, dass auch die Bürgerinitiative für den Bau einer neuen Brücke sei, diese ihrer Ansicht nach allerdings gut 2 km weiter raus gebaut werden sollte als die geplante. „Die Topographie in der Nähe von Hornbach eignet sich besser für den Bau einer Brücke“, begründete er seinen Vorschlag. In der zweiten Themenrunde präsentierte er den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Experten seine Alternative anhand einer professionalisierte Skizze und machte klar, dass die BI lediglich Impulse für alternative Verkehrskonzepte setzen könne, da sie nicht über so ein umfassendes Budget wie die Stadt für eine professionelle Verkehrsplanung verfüge. „Der Verkehr ist einfach da, auch die Westrandbrücke kann das nicht lösen. Wir schlagen eine Neckarquerung in der Nähe Hornbachs vor, der Verkehr macht dann einen großen Bogen um Alding und Neckargröningen, weit außen herum, bevor er über die Ludwigsburgerstraße und schließlich weiter ins Soldatensträßle fließt. Er hielt nicht damit hinterm Berg, dass nicht alle Anwohner von seiner Alternative gleichermaßen profitieren würden. Es würde bei einer Umsetzung Straßen geben, in denen der Schleichverkehr abnehmen werde, aber auch solche, die eine minimale Verschlechterung durch eine Zunahme des Verkehrs erfahren würden.

 

 

Die Expertenrunde

 

Bürgermeisterin Birgit Priebe würdigte die geleistete Arbeit am Alternativvorschlag, wies ihn dennoch entschieden zurück. Er sei nicht klar und nicht weitsichtig genug. „Wir haben Alternativen geprüft, die sind im Gutachten auch aufgeführt. Wenn ich den Durchgangsverkehr komplett rausnehme, wie kommen dann die Neckargröninger nach Neckargröningen etc., ohne die Umgehungsstraße einmal komplett durchzufahren?“ „Wenn man von Ludwigsburg z.B. wieder heim will, muss man zuerst die gesamte Umgehungsstraße abfahren. Das ist ein problematischer Umwegeverkehr!“, führte die Bürgermeisterin aus. Sie wies darauf hin, dass die städtebauliche Entwicklung außerdem noch einen zweiten Entwicklungsschritt vorsähe, das Gewerbegebiet Alding, das ca. 9 ha. groß ist. „Es ist über die bestehende Wehrbrücke an Alding angeschlossen, wo eben auch Verkehr fließt. Dies muss bei der Stadtplanung im Voraus mitbedacht werden. Ihr Konzept berücksichtigt so etwas nicht in ausreichendem Maße.“

 

Herr Leitenberger, der die BI „Ja zur Westrandbrücke“ vertrat, betonte, die Remseckerinnen und Remsecker seien den jüngeren Generationen verpflichtet, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Er stimmte mit dem OB darin überein, dass durch die Westrandbrücke der Verkehr entzerrt und Schleichverkehre in Gröningen und Alding vermieden würden.

Für die Stadtentwicklung bedeute der Bau der Westrand Brücke, dass der Bauabschnitt 3 (d.h. die Erweiterung Neckargröningens) realisiert werden könne. Die jetzige Brücke sei ohnehin schon überlastet, was eine Sanierung zur Folge hätte, falls sie bliebe.

„Die jetzige Straße durchschneidet den 3. Bauabschnitt von Neckargröningen. Das wäre eine Schneise in einem Ortsteil, da man kaum durch kommt zur Brücke. Da würden 40 000 Autos auf der bisherigen Straße zur Neckarbrücke fahren. Ich kann mir vorstellen, dass diese Straße zurückgebaut wird für ÖPNV und Radwege. Dies gehört zu den Dingen, die man im Detail zu gegebener Zeit noch klären müsste.“

An dieser Stelle klinkte sich auch der OB noch einmal ein. „Wohnraum kann nicht in der Peripherie zu Lasten unserer Landwirtschaft geschaffen werden, sondern sollte nah an der Stadtbahnlinie geschaffen werden, idealerweise fußläufig erreichbar.“

 

erklärte Jürgen Holzwarth vom Regierungspräsidium, weshalb alle bislang geprüften Alternativen verworfen worden waren. „Da es sich um eine Landesstraße handelt, bezuschusst das Land das Projekt. Falls die Westrandbrücke nicht kommt, müsste die vorhandene Brücke abgerissen und ganz neu gebaut werden. Allerdings geschieht das dann nicht innerhalb der nächsten 10, sondern vielleicht in 30 Jahren.“

 

Frau Priebe stand Rede und Antwort zum Thema Grundstücksverhandlungen. „Erst einmal muss man den Bären erlegen, bevor das Fell verkauft wird.“ Die Stadt stehe in Verhandlungen mit Heinrich Krieger und Söhne KG. Näheres könne noch nicht preisgegeben werden, da die Verhandlungen noch liefen.

Die Bürgermeisterin, Architektin und Stadtplanerin Priebe versicherte, dass der Anteil an Sozialwohnungen in der Neuen Mitte mindestens 15% betragen werde. Dies sei allerdings nicht zementiert, nach Prüfung könne durchaus eine höhere Zahl herauskommen.

 

Vor der Schlussrunde präsentierte Dr. Ing. Frank Gericke die wichtigsten Punkte der Neuen Mitte mit der Westrandbrücke. Seine Ausarbeitung zeigt eigene Busspuren und eine zentrale Mobilitätsstation. Dort sollen verschiedene Mobilitätsangebote gebündelt werden: Neben ÖPNV, Carsharing-Stationen, Elektromobilität, P&R sollen auch Fahrräder als Fortbewegungsmittel angeboten werden. Es gehe um mehr als die Westrandbrücke, nämlich um moderne Mobilität.

 

In der Schlussrunde zeigten sich die Diskutanten zufrieden mit der sachlichen Diskussion und freuten sich über das Interesse der Bürgerinnen und Bürger, die verschiedene Kanäle vor Ort und von daheim genutzt hatten, sich in die Diskussion einzubringen. Herr Dr. Gericke stellte fest, dass die Zeit nicht ausgereicht habe, mehr in die Tiefe zu gehen.

 

OB Schönberger bedankte sich für die rege Diskussion und lud noch einmal alle Remseckerinnen und Remsecker zum Dialog ein. „Wir haben ein gewähltes Gremium, den Gemeinderat, die Stadträte bringen sich zum Thema auch ein, jedoch ist das „Wie“ noch nicht zementiert. Der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern lohnt sich und bleibt spannend. Nutzen Sie die Möglichkeit, sich zu beteiligen. Herzlichen Dank.“

 

Um 20 Uhr verabschiedete sich auch Moderator Helmut Bauer von den rund 90 Anwesenden und entließ sie in den wohl verdienten Feierabend.

 

 

Live-Stream zum Podium